Sonntag, 18. März 2018

Die Sache mit dem Opfer für die Kunst

Immer wieder erlebe ich es, dass Kolleginnen und Kollegen mit dem schlechten Gewissen hadern, weil sie, aus welchen Gründen auch immer, dem Schreiben gerade weniger Priorität in ihrem Leben einräumen (können).
Bisweilen fragen sie sich dann: "Darf ich mich wirklich immer noch Schriftsteller nennen?" oder "Müsste ich nicht bereit sein, mehr zu geben?"
Und dann kommt immer wieder das Thema auf, dass Kunst Opfer fordert. Dass man kein richtiger Künstler ist, wenn man sie nicht bringt.

Unangenehme Wahrheit zuerst: Egal, wofür man sich entscheidet, man opfert damit alle anderen Möglichkeiten.

Das bedeutet, hat man sich entschieden, Zeit in das Schreiben zu stecken, hat man diese Zeit für andere Dinge nicht mehr. Hat man sich entschieden, etwas anderes zu tun, fehlt diese Zeit für das Schreiben. Mehr gibt es darüber eigentlich nicht zu wissen.

Und warum beende ich den Post jetzt nicht?
Wegen des "eigentlich".

Es gibt nirgends eine verbindliche Definition von wegen "Wenn so und so viele Stunden investiert werden, darf man sich Schriftsteller/Zeichner/Tänzer/Kampfkünstler/sonstige Wunschbezeichnung hier einfügen nennen". Das heißt, ihr bestimmt tatsächlich selbst, als was ihr euch seht. Dass es natürlich ein bisschen seltsam ist, sich Schriftsteller zu nennen, wenn man noch nicht einmal eine halbe Seite geschrieben hat, steht auf einem anderen Blatt.

Hat also gerade etwas anderes im Leben Priorität, macht einen das nicht weniger zum Schriftsteller.

Aber, ja, hier kommt das Aber, wenn ihr euch möglichst rasch verbessern wollt, gibt es nur eine Möglichkeit: Schreiben, schreiben, schreiben! Oder eben was auch immer das ist, was sich verbesssern soll. Und ja, das bedeutet, Opfer bringen zu müssen, auf andere Möglichkeiten zu verzichten und möglicherweise auch, dem einen oder anderen Menschen in eurem Umfeld vor den Kopf zu stoßen, weil ihr gerade keine Zeit habt, nicht jede Party mitmachen könnt oder ähnliche Absagen geben müsst.
Die Frage ist, ob das wirklich ein Opfer ist. Natürlich, manchmal hat man keine Lust zum Schreiben, der innere Schweinehund quengelt und will auf die Couch, das neue Computerspiel ist verlockend und irgendwo quengeln auch noch Menschen im Hintergrund. Aber ist es wirklich ein Opfer, wenn das Schreiben gut läuft? Auch andere Hobbies haben manchmal ihre Misttage. Und trotzdem bezeichnet man sie als Hobbies, weil man Spaß daran hat. Weil man manchmal sogar an den Misttagen Spaß haben kann. Nämlich zumindest daran, sie überwunden zu haben.

Ich für meinen Teil mag es überhaupt nicht, wenn wieder einmal das Bild des leidenden Künstlers als Ideal gebraucht wird. Natürlich treffen Künstler zugunsten der Kunst manchmal Entscheidungen, die ihnen finanzielle Nachteile einbringen. Und natürlich ist es nicht besonders erheiternd, schon zu Beginn des Monats rechnen zu müssen, dass man am Ende des Geldes nicht allzu viel Monat übrig hat. Aber die Frage ist eben auch immer, ob das zum einen wirklich so ein Opfer für den jeweiligen Autor ist und zum anderen sollte das nun wirklich nicht das Ideal sein, das man als Autor anstreben möchte, nur weil es angeblich ach so romantisch ist. Ich habe in meinem Leben schon Zeiten gehabt, wo ich gezwungen war, von sehr wenig Geld zu  leben. Romantisch fand ich das nicht, eher erschöpfend. Und ich bin absolut nicht der Meinung, dass ich bereit sein muss, mich in einem kleinen, kalten Zimmer von Dosenfutter zu ernähren, um behaupten zu dürfen, mich Autorin nennen zu dürfen. Ich liebe das Schreiben, gar keine Frage. Und ja, manchmal verfluche ich auch meinen Brotjob, wenn er mir Schreibzeit klaut, oder mich zwingt, zu halbwegs vernünftigen Zeiten schlafen zu gehen. Aber ich mag es auch, jeden Monat eine vorher bekannte Summe auf dem Konto zu haben und nein, das würde ich nicht opfern, selbst wenn ich wüsste, dass ich dann niemals über eine bestimmte Grenze des Könnens rauskommen würde. Ich bin nicht der Meinung, dass man für die Kunst leiden muss, auch wenn ich eine Ahnung habe, woher das Klischee des leidenden Künstlers kommt.

Zusammengefasst: 100% zu geben ist völlig in Ordnung, gehen aufgrund der Lebensumstände etc. gerade auch mal nur 50% ist auch das okay. Dauerhaft 200% zu geben, brennt einen zum einen aus, zum anderen ist das jenseits dessen was menschenmöglich ist, also weg mit diesem merkwürdigen Anspruchsdenken!

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