Dienstag, 10. April 2018

Der Autor – Wer ist das und wenn ja, wie viele?

Dass das Verhältnis zwischen Autoren und Lesern bisweilen von Mythen geprägt ist, passiert. Beispielsweise weil nicht zwischen den in einem Buch handelnden, fiktiven, Figuren und dem Autor selbst unterschieden wird und eine Figur mit problematischen Einstellungen dazu genutzt wird, dem Autor selbige Einstellungen zu unterstellen.
Manchmal ist es aber auch der Autor selbst der einen Mythos fördert. Beispielsweise durch ein Pseudonym, das es so aussehen lässt, als gehöre der Autor zu einer anderen ethnischen Gruppe als er es tatsächlich tut.
Oder man geht davon aus, das Buch sei von einem Mann geschrieben worden, weil „Max Mustermann“ als Autor angegeben ist, während das Buch in Wirklichkeit von Sabine Musterfrau geschrieben wurde.
Und dann gibt es auch noch den Fall von Autoren, die mehrere Pseudonyme haben.
Gemeinhin wird das einfach hingenommen. Aber manchmal gibt es Fälle, die zu Empörung führen. Wie dieses Jahr der Fall von Santino Hassell.
Das hat in meinem Umfeld, insbesondere unter den mir bekannten Autoren, zu Diskussionen geführt, was noch in Ordnung ist und was schon nicht mehr geht.
Da ich mir ebenfalls Gedanken gemacht habe, soll es darum gehen, was wirklich nicht geht, d.h. auch mit dem Gesetz in Konflikt steht, was in meinen Augen kritisch zu sehen ist und wo ich kein Problem sehe.


Zum Fall Santino Hassell:

Der Autor gab sich selbst als bisexueller, alleinerziehender Vater aus, begann unter diesem Namen Liebschaften mit Fans und behauptete zudem, an Krebs zu leiden und startete eine Spendenkampagne. Offenbar alles Schwindel. Außerdem hat er offenbar intime Details aus dem Leben seiner Liebschaften in seinen Büchern verarbeitet. Ein Teil seiner Bücher wurde daraufhin von den Verlagen aus dem Sortiment genommen.

Was meint das Gesetz dazu.

Prinzipiell ist es einem Autor nicht verboten, ein Pseudonym zu nutzen. Auch ein geschlossenes Pseudonym, d.h. eines, bei dem außer dem Autor (und dem Verlag, der ja die echte Person dahinter bezahlen muss) niemand bekannt ist, wer wirklich hinter diesem Namen steckt, ist nicht verboten. Und wenn eine Frau einen Männernamen annimmt oder umgekehrt, kann man sich als Leser deshalb auch nicht beschweren, selbst wenn man das Buch nicht gekauft hätte, wenn man gewusst hätte, das jeweils andere Geschlecht vor sich zu haben. Würde man nun allerdings die Identität eines Prominenten annehmen, könnte das dazu führen, dass man Ärger bekommt, weil man einem anderen Menschen schadet und sich, je nachdem, auch unter Vorspiegelung falscher Tatsachen (einer scheinbaren Autobiographie zum Beispiel) bereichert. Ansonsten darf man, rein gesetzlich gesehen, auch bei der Autorenvita ungestraft flunkern. Nimmt man natürlich, wie im Falle von Santino Hassell, durch Vorspiegelung falscher Tatsachen Geld ein und behält dieses auch, erfüllt man damit den Straftatbestand des Betrugs und kann ordentlich Schwierigkeiten bekommen, wenn man auffliegt. Denn Betrug ist eben nicht nur unfein, sondern auch eine Straftat. Aber merke: Nicht alles, was moralisch verwerflich ist, ist auch ungesetzlich! Von daher ist das Gesetz allein da vielleicht nicht der einzige zählende Ratgeber.

Die Dos und Don'ts in meiner persönlichen Ansicht

Es gibt drölfzig Millionen Gründe, warum ein Autor seinen Namen nicht auf dem Cover seines Buches lesen möchte. Ein Polizist, der blutige Horrorsplatter schreibt, könnte damit seine Karriere ebenso gefährden, wie der Pfarrer, der Erotikromane schreibt. Aber auch ein sehr konservatives Lebensumfeld kann dazu führen, dass man lieber nicht möchte, dass bekannt wird, was man da schreibt. Das ist in meinen Augen auch vollkommen legitim. Jeder Mensch, auch jeder Kunstschaffende hat ein Recht auf Privatsphäre und darauf, dass er seine Geheimnisse für sich behalten darf.
Dann gibt es den Fall, dass der echte Name eines Autors Nachteile mit sich bringt. Eine Frau , die ScienceFiction schreibt, hat ebenso Nachteile wie ein Mann im Romance-Genre. Schwachfug, wenn man mich fragt, aber eben Schwachfug, der leider real ist. Und in diesem Fall sorgt ein Pseudonym, das auf das jeweils andere Geschlecht hindeutet oder eben geschlechtsneutral ist, dafür, die Startbedigungen für das eigene Buch anzugleichen. Auch das ist legitim.
Weiterhin sollte man bedenken, dass der Name des Autors eine Marke ist, wie jede andere Marke auch. Und eine Marke steht nun einmal für etwas Bestimmtes. Bedeutet, wer Stephen King auf einem Cover sieht, erwartet keine leichte Romanze.Aber auch ein Autor, der sein Genre gefunden hat, möchte einmal etwas ausprobieren, hat eine Idee, die nicht zu seinem bisherigen Image passt oder hat schlicht einen Verlag, der den Autor als Marke exklusiv haben will. In diesem Fall ist ein Pseudonym einfach die Möglichkeit, mehrere Vorlieben auszuleben. In meinen Augen ebenfalls völlig in Ordnung.
 Auch Neugierde ist für mich legitim. Zu sehen, wie die eigene Schreibe unter verschiedenen Namen ankommt, ist einfach ein Austesten des Marktes, ohne dass jemandem Nachteile entstehen, das ist ungefähr so normal wie das Schicken von Waschmittelproben, wenn was Neues auf den Markt kommt.

Während es für mich in Ordnung ist, Nachteile auszugleichen, sehe ich es kritisch, sich Vorteile zu erschwindeln. Gibt sich ein Autor, der beispielsweise über Japan schreibt, als Japaner aus, bedeutet dies zweierlei: Zum einen behauptet der Autor, Ahnung von dem zu haben, was er schreibt und vermittelt damit vielleicht ein vollkommen falsches Bild von Japan. Zum anderen verschafft sich der vermeintliche Japaner dadurch einen Vorteil, weil die Leser sich darauf verlassen, dass ein Japaner gut über Japan schreiben kann.
Gibt sich der Autor beispielsweise als Taucher, Fallschirmspringer oder Free-Climber aus und hat dann womöglich noch schlampig oder gar nicht recherchiert, kann das sogar Leser in Gefahr bringen, die den Informationen aus den entsprechenden Büchern vertrauen. Das geht in meinen Augen überhaupt nicht, denn auch wenn unsere Leser eigene Menschen mit eigenen Entscheidungen sind, haben wir als Autoren immer noch eine gewisse Verantwortung gegenüber den Botschaften und Informationen, die wir vermitteln.
Das Gleiche gilt für mich, wenn ein Autor sich ein ausländisch klingendes Pseudonym zulegt, um Ausländerfeindlichkeit hinter dem "Ich bin doch selbst Ausländer, also kann ich doch nicht fremdenfeindlich sein" zu verstecken. Geht gar nicht!
 Und während es völlig okay ist, wenn ein Protagonist in einem Buch problematische Ansichten hat, um damit zu arbeiten, darf sich ein Autor in meinen Augen nicht hinter einem Pseudonym verstecken, wenn er selbst problematische Inhalte verbreiten will.

Zusammengefasst halte ich es hier wie mit unseren Gesetzen: Die Freiheit des Autors, auch was Pseudonyme und Viten angeht, hört da auf, wo andere Menschen eingeschränkt werden.

Im Übrigen gilt das alles natürlich auch für Autorinnen, ich will hier niemanden diskriminieren und habe nur aufgrund der leichteren Lesbarkeit ausschließlich die männliche Form benutzt.


Sonntag, 18. März 2018

Die Sache mit dem Opfer für die Kunst

Immer wieder erlebe ich es, dass Kolleginnen und Kollegen mit dem schlechten Gewissen hadern, weil sie, aus welchen Gründen auch immer, dem Schreiben gerade weniger Priorität in ihrem Leben einräumen (können).
Bisweilen fragen sie sich dann: "Darf ich mich wirklich immer noch Schriftsteller nennen?" oder "Müsste ich nicht bereit sein, mehr zu geben?"
Und dann kommt immer wieder das Thema auf, dass Kunst Opfer fordert. Dass man kein richtiger Künstler ist, wenn man sie nicht bringt.

Unangenehme Wahrheit zuerst: Egal, wofür man sich entscheidet, man opfert damit alle anderen Möglichkeiten.

Das bedeutet, hat man sich entschieden, Zeit in das Schreiben zu stecken, hat man diese Zeit für andere Dinge nicht mehr. Hat man sich entschieden, etwas anderes zu tun, fehlt diese Zeit für das Schreiben. Mehr gibt es darüber eigentlich nicht zu wissen.

Und warum beende ich den Post jetzt nicht?
Wegen des "eigentlich".

Es gibt nirgends eine verbindliche Definition von wegen "Wenn so und so viele Stunden investiert werden, darf man sich Schriftsteller/Zeichner/Tänzer/Kampfkünstler/sonstige Wunschbezeichnung hier einfügen nennen". Das heißt, ihr bestimmt tatsächlich selbst, als was ihr euch seht. Dass es natürlich ein bisschen seltsam ist, sich Schriftsteller zu nennen, wenn man noch nicht einmal eine halbe Seite geschrieben hat, steht auf einem anderen Blatt.

Hat also gerade etwas anderes im Leben Priorität, macht einen das nicht weniger zum Schriftsteller.

Aber, ja, hier kommt das Aber, wenn ihr euch möglichst rasch verbessern wollt, gibt es nur eine Möglichkeit: Schreiben, schreiben, schreiben! Oder eben was auch immer das ist, was sich verbesssern soll. Und ja, das bedeutet, Opfer bringen zu müssen, auf andere Möglichkeiten zu verzichten und möglicherweise auch, dem einen oder anderen Menschen in eurem Umfeld vor den Kopf zu stoßen, weil ihr gerade keine Zeit habt, nicht jede Party mitmachen könnt oder ähnliche Absagen geben müsst.
Die Frage ist, ob das wirklich ein Opfer ist. Natürlich, manchmal hat man keine Lust zum Schreiben, der innere Schweinehund quengelt und will auf die Couch, das neue Computerspiel ist verlockend und irgendwo quengeln auch noch Menschen im Hintergrund. Aber ist es wirklich ein Opfer, wenn das Schreiben gut läuft? Auch andere Hobbies haben manchmal ihre Misttage. Und trotzdem bezeichnet man sie als Hobbies, weil man Spaß daran hat. Weil man manchmal sogar an den Misttagen Spaß haben kann. Nämlich zumindest daran, sie überwunden zu haben.

Ich für meinen Teil mag es überhaupt nicht, wenn wieder einmal das Bild des leidenden Künstlers als Ideal gebraucht wird. Natürlich treffen Künstler zugunsten der Kunst manchmal Entscheidungen, die ihnen finanzielle Nachteile einbringen. Und natürlich ist es nicht besonders erheiternd, schon zu Beginn des Monats rechnen zu müssen, dass man am Ende des Geldes nicht allzu viel Monat übrig hat. Aber die Frage ist eben auch immer, ob das zum einen wirklich so ein Opfer für den jeweiligen Autor ist und zum anderen sollte das nun wirklich nicht das Ideal sein, das man als Autor anstreben möchte, nur weil es angeblich ach so romantisch ist. Ich habe in meinem Leben schon Zeiten gehabt, wo ich gezwungen war, von sehr wenig Geld zu  leben. Romantisch fand ich das nicht, eher erschöpfend. Und ich bin absolut nicht der Meinung, dass ich bereit sein muss, mich in einem kleinen, kalten Zimmer von Dosenfutter zu ernähren, um behaupten zu dürfen, mich Autorin nennen zu dürfen. Ich liebe das Schreiben, gar keine Frage. Und ja, manchmal verfluche ich auch meinen Brotjob, wenn er mir Schreibzeit klaut, oder mich zwingt, zu halbwegs vernünftigen Zeiten schlafen zu gehen. Aber ich mag es auch, jeden Monat eine vorher bekannte Summe auf dem Konto zu haben und nein, das würde ich nicht opfern, selbst wenn ich wüsste, dass ich dann niemals über eine bestimmte Grenze des Könnens rauskommen würde. Ich bin nicht der Meinung, dass man für die Kunst leiden muss, auch wenn ich eine Ahnung habe, woher das Klischee des leidenden Künstlers kommt.

Zusammengefasst: 100% zu geben ist völlig in Ordnung, gehen aufgrund der Lebensumstände etc. gerade auch mal nur 50% ist auch das okay. Dauerhaft 200% zu geben, brennt einen zum einen aus, zum anderen ist das jenseits dessen was menschenmöglich ist, also weg mit diesem merkwürdigen Anspruchsdenken!

Dienstag, 13. März 2018

Wie viel kann/muss ein Autor von sich verlangen?

Sind wir einmal ehrlich, wir Autoren haben alle Kolleginnen und Kollegen, die wir mehr oder minder heimlich bewundern. Sei es für die schiere Masse dessen, was sie produzieren, sei es, weil sie trotz eines für uns völlig chaotisch anmutenden Lebens noch produzieren können oder auch für die Qualität die sie erreichen. Und wir alle stehen bisweilen da: „Ich will auch!“ Aber wie? Ist es wirklich Faulheit, die uns abhält? Oder mangelnde Bereitschaft, uns wirklich reinzuhängen? Was diese Bereitschaft angeht, werde ich in den nächsten Tagen auch noch einen Blogpost dazu verfassen. Aber nun zu „Was muss wirklich?“

Ich habe zum Beispiel für mich selbst festgestellt, dass mein literarischer Ausstoß sehr stark schwankt. Zu Beginn eines Jahres sieht es meistens ziemlich mau aus, dann steigt der Ausstoß langsam an, fällt im Frühsommer wieder ziemlich ab, erreicht im Sommer entweder einen Höhepunkt oder aber einen Tiefpunkt, das hängt immer ein bisschen vom Wetter und den äußeren Aktivitäten ab, steigt im Herbst wieder deutlich an und erreicht im Regelfall im November (siehe nanowrimo.org) seinen Höhepunkt.
Nun unterliegt aber auch der normale Jahreszyklus beim Schreiben auch noch weiteren Schwankungen. Ich kann und will nicht ausschließlich schreiben, sondern auch noch andere, mehr oder weniger kreative Hobbies ausleben, ich bin Vollzeit berufstätig und bin zumindest kein Vollzeit-Einsiedlerkrebs. Das heißt, es gibt Zeiten, da brütet mein Kopf andere Projekte aus, wälzt berufliche Herausforderungen oder ich verbringe einen großen Teil meiner Freizeit nicht zu Hause (für mich eine schreiberische Einschränkung, das muss aber nicht für alle so sein).
Diese nicht-zyklischen Schwankungen haben natürlich je nachdem mehr oder weniger Einfluss. Bin ich in einem schreiberischen Hoch, kann es sein, dass ich in sehr wenig Zeit trotzdem einen ordentlichen Output hinbekomme. In einem schreiberischen Tief kann ein einzelnes weiteres Kreativprojekt ausreichen, um meinen Ausstoß für einige Zeit auf Null zu setzen.

Prinzipiell sind diese Schwankungen ja auch nichts Schlechtes, immerhin sind wir Menschen, keine Roboter. Aber wenn wir weniger schwanken wollen, oder überhaupt mal von der Nulllinie wegkommen wollen, dann ist zunächst mal eines nötig: Ehrlichkeit zu sich selbst. Es gibt ein paar Fragen zu stellen und zu beantworten und ohne Ehrlichkeit mit uns selbst landen wir recht schnell im Tal der Frustration.

1. Habe ich eine Deadline?
Damit ist natürlich nicht nur die Verlagsdeadline gemeint, sondern auch eventuelle Deadlines, die uns das Leben setzt. Weiß ich zum Beispiel, dass ich im nächsten Jahr ins Ausland gehe, dann sollte ich meine Projekte vorher abschließen, damit ich nicht daran hängen bleibe, dass das Leben hämisch über meine Pläne lacht. 
Ist diese Frage mit Ja zu beantworten, dann hilft ein Zeitplan, den Ausstoß kurzfristig zu erhöhen, indem man im Zweifelsfall den inneren Schweinehund über den Haufen schreibt. Das lässt sich aber aus Gründen nicht immer und nicht für Ewigkeiten machen. Da gibt es nämlich noch ein paar andere Fragen
2. Bin ich gerade überhaupt voll belastbar?
Geben wir es zu, manchmal sind wir regelrecht brutal uns selbst gegenüber. Erkältet, zu wenig Schlaf, Stress auf der Arbeit aber wir prügeln uns abends noch vor die Tastatur und wundern uns, warum der innere Schweinehund auf einmal so groß ist, die Couch so verlockend und unsere Disziplin so gar nicht vorhanden. Manchmal wälzen wir Probleme, die unsere gesamte Hirnkapazität fressen. Und das ist okay, wenn das passiert. Wir sind immer noch keine Roboter und wir können nicht permanent 100% und mehr leisten. Es macht also wenig Sinn, zu versuchen, den Ausstoß massiv zu erhöhen, wenn gerade gar keine volle Belastbarkeit vorleigt.

3. Nimmt gerade irgend etwas meine Aufmerksamkeit ein?
Das können positive, wie negative Dinge sein. Ein großes Projekt bei einem anderen Hobby kann genauso eine Ausstoßbremse sein, wie Stress in der Beziehung oder eine prekäre Beschäftigungssituation. Auch wenn die Antwort auf diese Frage ja lautet, ist klar, warum es gerade nicht mit dem Ausstoß klappen will.


Konnte man wahrheitsgemäß feststellen, dass es gerade nichts gibt, was einen an einem höheren Ausstoß hindern würde, dann stellen sich weitere Fragen. Das fängt damit an, dass jeder Jeck anders ist und damit jemand vielleicht erst gründlich planen muss, jede einzelne Karte gezeichnet haben muss und überhaupt wissen muss, was der Cousin des Freundes des Nachbarn des Protagonisten vorgestern zu Mittag gehabt hat, bevor das erste Wort am Roman geschrieben werden kann. Dann heißt es: Hinsetzen und Hausaufgaben machen, ehe man daran gehen kann, den Ausstoß zu verbessern.
Jemand anders braucht stattdessen eher ein Prompt und neue Musik, um einfach drauflos arbeiten zu können. Na dann, ran an die entsprechenden Quellen.
Manchmal passt das aktuelle Projekt auch so überhaupt nicht zur Lebenssituation, dass das bremst.
Das soll euch jetzt keine Ausrede zu wildem Projekt-Hopping geben, auch wenn in meinen Augen eine halbe Seite hier und eine halbe Seite da immer noch mehr sind, als wochenlang frustriert gar nichts zu schreiben. 
Aber ein Liebesroman schreibt sich möglicherweise sehr schlecht, wenn man selbst gerade Liebeskummer hat. 
Manchmal hat vielleicht auch die Umgebung noch nicht gemerkt, wie ernst wir es mit dem Schreiben meinen. Dann hilft Reden. Das hilft übrigens auch dann wenn wir sonst das Gefühl haben, unsere Umgebung würde uns im Weg stehen.
Und als Letztes: Manchmal ist es auch okay, zu daddeln oder sich mti dem Partner zu unterhalten oder einfach nur auf der Couch zu fläzen. Das muss hin und wieder auch sein. Und wenn wir es wirklich genossen haben, gibt es keinen Grund, dann darüber zu schimpfen, dass wir nicht geschrieben haben. Alles haben geht nicht, in beide Richtungen nicht. Also warum nicht dafür sorgen, dass man sich wohlfühlt und diese Energie dann nutzen? Das wäre doch das ultimative Win-win oder?

Donnerstag, 20. Juli 2017

Fantasy und ihr Anspruch auf Realismus vs. Unsere Erwartungen

Beim Scrollen durch Facebook entdeckte ich eine Seite, die für die Charaktere aus Game of Thrones Schauspieler herausgesucht hat, die dem tatsächlichen Alter der Charaktere entsprechen, nämlich hier: http://thronesrealm.com/if-9-game-of-thrones-characters-were-played-by-actors-of-their-own-ages/
Reaktion einer Userin: Im Ernst??? Ich meine im Ernst???
Wer liest denn Kinderponos???
Ist das echt so???

Nun erst einmal die harte Wahrheit über die Serie: Ja, die Schauspieler sind älter als die Charaktere und ja, das Aussehen der Charaktere ist zum Teil sehr weichgespült gegenüber G.R.R. Martins Beschreibungen.

Als Autor stellt man nun schnell die Frage nach dem Warum.
Und eine Sache wurde für mich da sehr schnell offensichtlich.12 Jahre in unserer heutigen Welt und 12 Jahre in der sehr mittelalterlichen Welt von Game of Thrones ist ein großer Unterschied. 
In unserer heutigen Welt gilt man mit 12 noch als Kind und das in meinen Augen auch zurecht. Wenn man bedenkt, dass die Lebenserwartung zumindest in den Industrienationen irgendwo um die 80 Jahre herumgammelt, hat man mit 12 auch gerade mal etwas weniger als ein Sechstel seines Lebens gelebt. 
In einer mittelalterlichen Welt beträgt die Lebenserwartung für die Einfachen eher so um die 35 Jahre, womit man mit 12 bereits ein gutes Drittel seines Lebens gelebt hat und damit notgedrungen bereits als erwachsen gelten muss, weil es sonst mit der Reproduktion nicht rechtzeitig hinhaut.
Ich rechne euch das jetzt mal mit meinen eigenen Lebensdaten vor. Ich bin 26 und kinderlos, würde ich in einer mittelalterlichen Welt jetzt mit dem Kinderkriegen anfangen, könnte ich noch neun Kinder in die Welt setzen, wenn ich die durchschnittliche Lebenserwartung lebe und jedes Jahr ein Kind bekomme. Und wenn wir jetzt davon ausgehen, dass neun von zehn Kindern das Erwachsenenalter nicht erreichen, dann hat meine Familie ein kleines Problem. Nämlich die Tatsache, dass wir aussterben. Das sieht ein bisschen besser aus, wenn ich mit 13 oder 14 das erste Kind bekommen hätte, dann wären wir nämlich bei irgendwas um die 15 Kinder, selbst wenn es nicht jedes Jahr geklappt hätte.
Und nehmen wir jetzt einmal an, ich wäre ein Mann. Dann konnte ich mir zwar prinzipiell länger Zeit lassen, weil erstens keine biologische Uhr tickt und zweitens ich zumindest nicht das hohe Risiko habe, bei der Geburt eines Kindes zu sterben. Aber ich brauche auch eine Frau, die ich nicht schon in der ersten Schwangerschaft verliere. Also macht es durchaus Sinn, wenn ich die erste Frau verloren habe, eine möglichst junge Frau zu heiraten, um den Zeitverlust durch den Tod und das Trauerjahr wieder auszugleichen.
Man sieht also, die frühen Heiraten entsprangen nicht fragwürdigen Vorlieben der damaligen Männer sondern dem erbitterten Überlebenskampf, den im Übrigen nicht nur die Einfachen führten. Denn auch adelige Frauen starben im Kindbett. 
Und die Kinder damals wussten, was Sache war. Sie sahen ihre Geschwister an Krankheiten und Unfällen sterben, sie sahen Nachbarn sterben und gerade die Jüngsten einer Familie sahen oft auch die Eltern sterben und wurden von den älteren Geschwistern großgezogen. Solche Praktiken gab es übrigens noch bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Ich kann hier sogar meine eigene Familie als Beispiel anführen: Die Mutter meines Großvaters starb 1918, als mein Großvater vier Jahre alt war und hinterließ sechs Kinder. Sein Vater heiratete erneut und die Frau war jünger, als die ältesten Kinder. Sie bekam ebenfalls sechs Kinder. Nun befinden wir uns hier schon in einer deutlich weiter fortgeschrittenen Gesundheitsversorgung, was mir mütterlicherseits eine riesige Verwandtschaft eingebracht hat. Aber der Gedanke der Absicherung durch die vielen Kinder war selbst zu dieser Zeit noch gegeben.

Nehmen wir jetzt also an, ich wäre ein Kind im Mittelalter. Ich weiß, wie schnell das Leben vorbei sein kann, ich habe vielleicht sogar jüngere Geschwister bereits sterben gesehen. Ich weiß, dass ich früh selbst Kinder haben muss, wenn ich in der Lage sein will, wenigstens einige von ihnen aufwachsen zu sehen und ich weiß auch, was zwischen Mann und Frau so passiert. Vielleicht nicht so direkt, aber ich bin mit dem lieben Vieh aufgewachsen und kenne den Zusammenhang zwischen den Aktivitäten dort und der Geburt von Tierbabys. Ich weiß also, was für mich ansteht. Ich arbeite von Sonennauf- bis Sonnenuntergang sehr hart. Kurz gesagt, ich bin schon lang kein Kind in dem Sinne mehr. Und das schlägt sich aller Wahrscheinlichkeit nach auch in meiner Erscheinung nieder.
Wenn wir uns einmal in Entwicklungsländern umsehen, dürfte auffallen, dass die Menschen dort häufig für ihr tatsächliches Alter zu alt aussehen.
Und damit haben wir auch den Grund, warum die Schauspieler teilweise doppelt so alt sind, wie die Figuren. Die Darstellerin, die auf der Seite beispielsweise als Altersentsprechung für Arya rausgesucht wurde, ist zwar niedlich, aber viel zu kindlich und zerbrechlich für  die Figur der Arya Stark. 

Die Menschen damals mögen durchaus den körperlichen Standards des entsprechenden Alters entsprochen haben, aber sie waren zwangsläufig geistig älter.
Und damit kommen wir zu einem kleinen Problem, das ich als Autorin habe. Siedle ich eine Geschichte in einem solchen Setting an, stehe ich vor der Frage, welchem Realismus ich folge. Folge ich dem unserer modernen, westlichen Welt und passe das Alter der Charaktere entsprechend an oder folge ich dem des Settings und setze mich der Gefahr aus, dass die Leser meine Charaktere viel zu jung finden, oder dass ein Roman gar als Kinderbuch eingestuft wird, der gar keines ist?
Wie handhabt ihr diese Zwickmühle? Postet das doch bitte in die Kommentare, es würde mich wirklich interessieren.

Dienstag, 18. April 2017

Alte Liebe rostet nicht

Nein, das wird kein kitschiges Geständnis, dass ich nun nur noch Liebesschnulzen schreiben will.
Ich habe auch das Wort zum Sonntag nicht vergessen, aber in den letzten Wochen ist schreibtechnisch hier einfach gar nichts passiert und ich hätte quasi jede Woche das Gleiche schreiben müssen, nämlich dass mein Privatleben gerade etwas turbulent ist und mir keine Zeit und Energie zum Schreiben übrig lässt. Und da ich nicht immer das Gleiche schreiben wollte, habe ich es gelassen.

Nun aber zum eigentlichen Post. Wer mich schon länger kennt, weiß dass ich schon seit etlichen Jahren eine große Faszination für die Kelten habe. Insbesondere Boudica hat es mir angetan. Fragt mich jetzt bitte nicht, warum, ich kann es nicht sagen, aber diese geschichtliche Persönlichkeit fasziniert mich. Ein Buch oder Film, in dem Boudica vorkommt, hat auf jeden Fall Chancen, von mir beachtet zu werden. Dazu kommt noch eine Schwäche für keltische Mythologie (einer der Gründe, warum man mich bisweilen auch unter dem Nickname Rhiannon antrifft).

Unlängst bin ich nun über ein Lied gestolpert, das ich gerade suchte. Boudica von Karliene
Und beim x-ten Mal Hören dieses Liedes tauchte sie wieder auf: Radha.
Radha ist die Protagonistin eines ziemlich ambitionierten Projekts, denn hier soll die Rebellion der Boudica in ein fantastisches Setting versetzt werden. Als Radha das erste Mal auftauchte und ihre Geschichte erzählen wollte, habe ich ihr erklärt, dass ich nicht die Zeit für den Recherche-Aufwand habe und außerdem nicht unbedingt die Richtige für solche Projekte bin. Radha war so freundlich, wieder in den Hintergrund zu treten, aber sie blieb. Und wann immer ich über neue Geschichten um Boudica stolpere, sagt auch Radha wieder Hallo.
Und jetzt, wo ich nicht aufhören kann, das Lied zu hören, ist Radha auch wieder sehr präsent. Und was soll ich sagen, ich wäre dieses Mal sogar geneigt, ihr eine Chance zu geben. Nicht sofort, aber ich habe ja Zeit, die Recherche zu betreiben und so nach und nach die sehr komplexe Geschichte umzusetzen. Ich denke, ich kann jetzt sicher gehen, dass Radha nicht einfach verschwindet, sie hat schließlich ganz brav einige Jahre lang auf ihre Chance gewartet.

Habt ihr auch solche Protagonisten? Wie lange warten sie schon? Und was hat euch bisher davon abgehalten, ihre Geschichten zu erzählen?

Montag, 27. Februar 2017

Jugendliche im Generationenkonflikt - insbesondere in Dystopien

Schlägt man eine x-beliebige Zeitung auf oder surft über Nachrichtenseiten, man wird ihm begegnen, dem Konflikt zwischen der aktuellen Jugendgeneration und ihren Vorgängern, auch wenn sich die Kritik an den Generationen Y und Z ein wenig anders darstellt, als die an den vorhergehenden. Gegeben hat es den Generationenkonflikt aber so gesehen schon immer. Die "Alten" hatten Probleme erzeugt, die die "Jungen" auslöffeln mussten, die "Jungen" machten wieder einmal alles anders als es ihre Erzeuger erwarteten und schon wurde in irgendeiner Form jene alte Klage aus Babylon wiederholt:
„Die heutige Jugend ist von Grund auf verdorben, sie ist böse, gottlos und faul. Sie wird niemals so sein wie die Jugend vorher, und es wird ihr niemals gelingen, unsere Kultur zu erhalten“ (Babylonische Tontafel von ca. 1000 v. Chr.)
Klingt das bekannt? Wahrscheinlich, weil jede Generation seit 3000 Jahren und mehr eine ähnliche Klage anstimmt. Nun aber zu den Fakten: Zivilisation haben wir irgendwie immer noch. Wir sind nicht mehr im alten Babylon aber da wir uns irgendwie immer noch vom Tier unterscheiden, müssen wir es also geschafft haben, Kultur zu erhalten.



Hat es die Jugendgeneration nun schon in der aktuellen Zeit schwer, gegen die geballte Verurteilung der älteren Generationen anzukommen, wie muss es dann erst Jugendlichen gehen, die sich in einem dystopischen Setting wiederfinden?



Nun, man muss in meinen Augen hier die verschiedenen dystopischen Settings auseinandernehmen.



Postapokalyptische Settings haben meistens gemeinsam, dass die bisherigen Gesellschaftsregeln radikal über den Haufen geworfen werden, egal ob wegen einer Zombieapokalypse, Krieg oder einem Virus, das die Weltbevölkerung dahinrafft. In diesem Setting haben Jugendliche sogar einen Vorteil. Sie können sich schneller darauf einstellen, das zu tun, was notwendig ist, zu überleben. Sie sind außerdem im Regelfall körperlich fitter und dementsprechend weniger anfällig dafür, Krankheiten oder Verletzungen sofort zum Opfer zu fallen. Außerdem sind Jugendliche noch weniger festgefahren in gesellschaftlichen Konstrunkten, was es ihnen einfacher macht, damit zurecht zu kommen, dass die Gesellschaft mit einem Schlag zusammenbricht. Von 1999 bis 2003, also noch vor der Zeit, in der Dystopien im Trend lagen, gab es die Fernsehserie "The Tribe" in der ein Virus alle Erwachsenen getötet hatte, es also den Jugendlichen oblag, eine neue Gesellschaft hochzuziehen.In dieser Serie bedeutete das, dass die Jugendlichen sehr schnell "erwachsen" wurden, eben auch, weil sie damit rechnen mussten, als Erwachsene schnell zu sterben und dementsprechend auch vor dem Problem der Fortpflanzung und dem Aufziehen des Nachwuchses etc. standen. Wie realistisch das Ganze war, darüber will ich hier nicht groß eingehen, es geht mir mehr darum, dass die Jugendlichen hier zwar natürlich den Vorteil ihres geringen Alters ausspielen konnten, mit eventuell überlebenden Erwachsenen aber sehr böse aneinandergerasselt wären, weil sie (natürlich zwangsläufig) die Gesellschaft einmal auf den Kopf gestellt haben.
In mancher Hinsicht hinterfragen gerade jüngere Jugendliche auch weniger. Das macht sie in postapokalyptischen Settings eigentlich zu den idealen Bewohnern. Sie verzweifeln nicht daran, dass die Welt, wie sie sie kannten, dahin ist (wenn sie die zuvor bestehende Ordnung überhaupt noch aktiv mitbekommen haben), sondern handeln. Der insbesondere bei Jugendlichen besonders stark vorhandene Wunsch danach, dazuzugehören, lässt die jungen Bewohner einer postapokalyptischen Welt in mancher Hinsicht wohl auch schneller abstumpfen. Die anderen tun es ja auch, also wird es schon richtig sein. Insbesondere wenn die ältere Generation resigniert und verzweifelt, kann das für die Jugendlichen, die sich von den Eltern abgrenzen wollen, genau der Grund sein, die Initiative zu ergreifen. Außerdem müssen sie ja auch noch idealerweise einige Jahrzehnte in dieser postapokalyptischen Welt überleben, also geben sie sich weniger Zeit für Nostalgie etc.

Ein weiteres Setting will ich jetzt mal „Politisches Setting“ nennen. Dieses zeichnet sich dadurch aus, dass in diesem Fall die Veränderungen durch politische Eingriffe erfolgt sind. Grund für diese Eingriffe mögen ebenfalls Naturkatastrophen oder Kriege gewesen sein, aber hier dreht es sich meistens nicht mehr „nur“ ums Überleben der Einzelnen. Das macht die Konflikte oft subtiler. Auch weil die Gesellschaft, in der diese jungen Menschen aufwachsen, formbarer scheint. Dass man in „The Tribe“ stirbt, wenn man ein bestimmtes Alter erreicht, oder aber dass man zum Zombie wird, wenn einen ein Zombie beißt, das ist ein unausweichliches Schicksal, daran lässt sich nicht rütteln. Dass man zur falschen Fraktion gehört, im falschen Distrikt geboren ist oder Ähnliches, daran kann man rütteln. Und wie ich schon schrieb, Jugendliche wollen sich von den Eltern abgrenzen, rütteln daher also ganz gerne mal an den Gesellschaftsstrukturen. Bewegungen wie die Punks oder die Hippies machten das ja auch in der ganz realen Welt vor. Politischen Settings ist aber im Allgemeinen auch gemein, dass die jeweiligen Regierungen bzw. sonstige gesellschaftliche Eliten sehr hart durchgreifen, wenn jemand aus der Reihe tanzt. Es besteht in solchen Settings grundsätzlich eine gewisse Angst vor dem, was passieren könnte, wenn jemand aus der Reihe tanzt. Egal, ob das in Panem der Fall sein mag, oder in meiner eigenen Dystopie „Innocence lost“, es besteht die Angst davor, dass Einzelne, die aus der Reihe tanzen, das gesamte Gesellschaftskonstrukt ins Wanken oder sogar zum Einstürzen bringen können.

Und wenn man diese Angst als Grundlage nimmt, ist klar, warum gerade in solchen Settings das Verhältnis der Jugendlichen zu der aktuellen Erwachsenengeneration so angespannt ist.
Jugendliche tanzen aus der Reihe, das ist ganz normal. Sie grenzen sich von ihren Eltern ab, sie versuchen, eigene Wege zu finden und ihnen versperrt normalerweise keine Festgefahrenheit auf bestimmte Sachverhalte den Weg. Außerdem wissen sie im Regelfall instinktiv, dass sie nicht Schuld sind, an der Misere, in die die vorhergehende Generation sie hineingeritten hat. Sie wissen, dass sie in mancher Hinsicht stärker sind, als die Erwachsenen. Ein Beispiel wäre in „Die Tribute von Panem“ das Verhalten von Katniss und ihrer Mutter. Die Mutter verfällt nach dem Tod des Vaters in Apathie, kümmert sich nicht mehr um ihre Kinder und zwingt ihre älteste Tochter dadurch in die Rolle der Ernährerin und Beschützerin, die Katniss erfüllen muss, weil sie sonst ihre kleine Schwester und ihr eigenes Leben verlieren wird. Der Überlebenswille der Jugendlichen ist meistens stärker als alles andere. Die Tribute in Panem wissen, dass die Spiele nur einer überleben kann und sie setzen alles dran, dass sie dieser Jemand sind. Erwachsene in der selben Arena würden vermutlich bisweilen über Selbstmord nachdenken, um zumindest halbwegs schmerzfrei zu sterben. Das sind Gedanken, die den Jugendlichen gar nicht erst kommen.
Was aber unweigerlich kommt, egal ob bei Katniss, bei den Jugendlichen in meiner eigenen Dystopie oder bei anderen Jugendlichen in Dystopien ist irgendwann ein anderes Gefühl: Wut. Sie finden sich in einer Gesellschaft wieder, die sie einschränkt, sie bedroht und die über sie verfügt und es wird ihnen gesagt, dass sie nichts tun können. Und es ist meist die Generation ihrer Eltern oder Großeltern, die diese Strukturen etabliert hat. Und der Elterngeneration können sie zumindest den Vorwurf machen, die Verhältnisse geduldet zu haben. Je nachdem wie existentiell die jeweilige Bedrohung ist, verstärkt das die Wut, denn die Jugendlichen in Panem und in der Welt meiner Dystopie können ihren Eltern wirklich den Vorwurf machen: „Ihr lasst zu, dass man uns tötet!“
Nun ist das zum einen ein Vorwurf, den man als Eltern wirklich nicht hören will, zum andern wissen wir, die wir uns mit Gesellschaft etc. beschäftigen, dass Menschen wirklich schon sehr abgestumpft sein müssen, dass sie es hinnehmen, dass ihre Kinder weggenommen und getötet werden. Und Kinder und Jugendliche haben im Regelfall recht feine Antennen. Sie spüren diese Abstumpfung der vorhergehenden Generation und diese macht ihnen nicht selten Angst und erzeugt den Gedanken: „So will ich auf keinen Fall enden!“ Das, kombiniert mit der vorher bereits erwähnten Wut und der Tatsache, dass Jugendliche, insbesondere jüngere Jugendliche noch ziemlich in den Kategorien „Schwarz“ und „Weiß“ denken, ist auch bereits das Gefahrenpotential, das viele Erwachsene in den Jugendlichen sehen. Jugendliche sind nicht selten eher bereit, extreme Mittel einzusetzen, um ihre Ziele zu erreichen, weil sie ihre Ziele für uneingeschränkt richtig halten. Das soll jetzt nicht heißen, dass es nicht auch genügend Erwachsene gäbe, die so denken, sonst würde es Organisationen wie den IS oder andere Terrorgruppen nicht geben. Aber es soll hier schließlich um die Jugendlichen gehen.
Jugendliche, die eine bestimmte Sache als die Ihre übernommen haben, sehen meistens großzügig über die Fehler der jeweiligen Anführer bzw. Ideologien hinweg. Dies erklärt zum Beispiel die weitverbreitete Existenz eines gewissen Porträts in Rot und Schwarz, in Jugendzimmern dieses Planeten. Bereits erraten, welches Porträt ich meine? Nein? Ein Tipp noch: Der Gesuchte trägt auf diesem Porträt eine Militärmütze mit Stern. Genau: Che Guevara. Nicht, dass dieser Herr eine wirklich weiße Weste hätte, aber er steht für Rebellion, in gewisser Weise für Freiheit und Gleichheit und das reicht schon, um ihn in den Jugendzimmern unsterblich zu machen. Ich will nun keinesfalls behaupten, dass alle Jugendlichen unkritisch wären. Aber so lange man selbst noch auf der Suche nach Falsch und Richtig ist, kann man bisweilen auch das Eine mit dem Anderen verwechseln. Das passiert auch begeisterten Erwachsenen, aber im Prozentsatz ist das die kleinere Gruppe.
Und nun kommen wir zu dem tatsächlichen Konflikt: Auf der einen Seite haben wir die Jugendlichen, noch unverbraucht, begeistert von eine bestimmten Idee, wütend auf das System und wild entschlossen, es anders zu machen, als ihre Eltern.
Auf der anderen Seite haben wir die Erwachsenen, desillusioniert, teilweise schon fast apathisch, eingeschossen auf das jeweilige System und erschrocken vor der Wut der Jugendlichen.
Da die meisten Erwachsenen recht schnell vergessen, dass sie diese Wut einmal selbst verspürt haben, ist klar, warum sie die Jugendlichen für fähig halten, entsetzliches Unrecht zu begehen.
Das wiederum kann den Konflikt noch zusätzlich befeuern, weil die Jugendlichen sich, zu Recht, als ungerecht behandelt empfinden und die Wut dadurch noch intensiviert wird. Man kann die Gefahr eines Teufelskreises aus diesem Absatz herauslesen.
Und wie meistens in einem Konflikt, in dem alle und keiner Recht haben, gibt es da auch keine einfache Lösung. In unserer Welt löst sich der Konflikt im Regelfall dadurch auf, dass Jugendliche nun einmal nicht ewig Jugendliche bleiben.
In einer Welt wie Panem, in der die Gesellschaft auf einem sehr viel wackeligeren Fundament errichtet wurde, ist es allerdings einfach möglich, dass der ursprüngliche Generationenkonflikt sich zu einem Konflikt zwischen verschiedenen Fraktionen ausweitet und die Gesellschaft tatsächlich sprengt. Kein Verlust, mag man jetzt sagen, aber es erklärt, warum so viele Menschen mehr Angst vor jugendlichen Unruhestiftern, als vor tatsächlichen Verbrechern zu haben scheinen.
Um den Generationenkonflikt wirklich erschöpfend zu behandeln, müsste man nun eigentlich auch noch auf die insbesondere männliche Neigung zu deviantem Verhalten etc. eingehen, aber das wäre ein Buch für sich und würde damit den Rahmen eines einzelnen Beitrags zur Blogparade wirklich sprengen. Von daher halte ich es weiterhin ein wenig oberflächlicher und versuche, einen Gesamtabriss zu geben.

Der Generationenkonflikt zeigt sich aber auch noch an etwas anderem, nämlich an den Bemühungen, die gezeigt werden, um die Gefahr, die von der jungen Generation auszugehen scheint, einzudämmen. Dies kann zum Beispiel die Tatsache sein, dass man hier in Deutschland erst mit 18 das Wahlrecht hat, jedoch durchaus auch schon deutlich jünger strafrechtlich belangt werden kann und auch schon früher steuerzahlender Arbeitnehmer sein kann, das können in verschiedenen Dystopien Arbeitslager, Bootcamps oder auch die Hungerspiele sein. Es kann aber auch die Tatsache sein, dass man mit Auswahlverfahren und Tests die Jugendlichen verschiedenen Fraktionen zuordnet, was ein ganz guter Trick ist, um zu verhindern, dass sie sich alle zusammenschließen. Denn da Gruppen nur dadurch Bestand haben, dass sie sich von anderen abgrenzen, lenkt man den Konflikt von dem zwischen den Generationen auf den gewollten Konflikt zwischen den Fraktionen um.
Und jetzt ist auch klar, warum Katniss oder andere jugendliche Anführer einer Rebellion eine solche Horrorvorstellung für totalitäre Regime sind. Rebellionen sind für solche Regime immer ärgerlich und gefährlich. Nun aber auch noch eine Jugendliche an der Spitze zu haben, mit der sich also auch die anderen Jugendlichen besser identifizieren können, heißt, dass es mehr Unterstützer gibt, die bereit sind, für ihre jeweiligen Ideale aufs Ganze zu gehen. Und selbst wenn diese Rebellion niedergeschlagen wird, wird man sie nicht ganz los, weil man die nächsten Jahre bis Jahrzehnte Menschen im Volk hat, die sich noch an ihre Teilnahme an der Rebellion erinnern werden und daraus möglicherweise auch Kraft schöpfen und diese Ideale weitergeben. Weitergeben an eine nächste Generation, der nicht mehr der Schreck über die Niederschlagung der Rebellion in den Knochen sitzt. Das ist für ein totalitäres Regime wirklich ein Albtraum. Und dann kommt noch dazu, dass totalitäre Regimes von guter Propaganda leben und überleben. Jugendliche aus dem Weg räumen zu müssen, ist aber denkbar schlechte Propaganda, zumal es auch die Gefahr birgt, dass die Erwachsenen doch noch einmal aus ihrer Lethargie erwachen und den Kampf aufnehmen, den sie um ihrer selbst Willen nicht mehr aufnehmen würden. Das ist für die jeweiligen Regimes dann im Regelfall der Todesstoß, selbst wenn die Regierung nicht sofort zusammenbricht, es hat weder in der Geschichte unseres Planeten, noch in den Dystopien, die ich so gelesen, bzw. davon gehört oder gesehen habe, Regimes gegeben, die sich davon jemals wieder vollständig erholt haben.
Mit diesem kurzen Abriss schließe ich auch, denn wie gesagt, mehr würde Bücher füllen und hat sie auch bereits gefüllt.

Was brachte mich nun dazu, diesen Artikel schreiben zu wollen? Nun, zum einen gehöre ich selbst zur so oft geschmähten Generation Y und bin damit wohl gerade in dem seltsamen Spannungsfeld, mich sowohl den Jugendlichen als auch den Erwachsenen zugehörig zu fühlen, weil ich noch nahe genug an den Jugendlichen dran, aber auch nicht mehr so weit von den Erwachsenen weg bin. Dies beeinflusst natürlich auch mein Schreiben. Und da ich mit Zombieapokalypsen und Weltuntergängen noch nie allzu viel anfangen konnte, wenden sich meine Dystopien dementsprechend eher den politischen Settings zu. Und da man über Dinge, die man selbst in gewisser Weise auch erlebt hat, am einfachsten schreiben kann, fließt der Generationenkonflikt geradezu zwangsläufig mit in mein Schreiben ein und da ich ihn in „Innocence lost“ in gewisser Weise bis zum Exzess ausgelotet habe, indem ich bestehende Tendenzen wirklich bis auf die Spitze getrieben habe, hatte ich nun einmal das Bedürfnis, auch darüber zu bloggen, wofür sich diese Blogparade geradezu anbot.Morgen findet ihr dann einen Artikel von Guddy Hoffmann über Rassismus im Rahmen der Blogparade. Und die Sammlung aller Artikel findet ihr bei Meara Finnegan, die das Ganze auch initiiert hat.

Montag, 2. Januar 2017

Rückblick 2016 und Ausblick auf 2017

Das war es also mit 2016. Ein turbulentes, bisweilen recht bösartiges Jahr.

Schreibtechnisch hat mich das Jahr definitiv weitergebracht, immerhin ist seit November 2016 mein Romandebüt Innocence lost erhältlich.
Aber ansonsten habe ich in dem Jahr, auch wenn ich nicht gezählt habe, wohl einen Negativrekord aufgestellt. Ich habe kaum was geschrieben. Fertig bekommen schon gar nichts. Aber gut, schlechte Jahre gibt es immer wieder mal. Und 2016 war ein Jahr in dem mir das Leben nicht selten quer kam und mich entweder aus Zeitgründen oder aus persönlichen Gründen am Schreiben gehindert hat.
Deshalb fielen auch die letzten beiden Wochenrückblicke aus. Ich hatte nichts geschrieben und war aus persönlichen Gründen auch nicht wirklich in der Lage was zu schreiben.

Fassen wir es einfach als ein Jahr zusammen, das Spaß an Achterbahnfahrten hatte. Und ein Jahr, dem ich nicht unbedingt nachtrauere.

Was steht nun 2017 an?

Veröffentlichungstechnisch wird 2017 den zweiten Teil meines Debüts erscheinen und wenn ich Glück habe, auch der Roman im Print.

Schreibtechnisch habe ich Folgendes vor:
- Die Töchter des Drachen: Mein pseudohistorischer Chinaroman in dem meine Kampfsportbegeisterung zum Ausdruck kommt. Ich habe den Roman im Dezember begonnen, er steckt also noch vollkommen in den Kinderschuhen, soll nach Möglichkeit aber fertig werden.

- Geboren, um zu leben: Ein Spin-off von Innocence lost. Der Roman ist mein erster Jugendroman und wie schon Innocence lost nicht ganz ohne zu schreiben. Ich würde ihn aber gerne möglichst schnell nach Innocence lost nachschieben können. Von daher soll dies der zweite Roman werden, der fertig wird.

Mehr erwarte ich gar nicht. 2017 ist das erste Jahr, das ich komplett als Arbeitnehmerin bestreiten werde, von daher erwarte ich nicht, da übermäßig produktiv zu sein.